Corona-Krise verschärft Situation auf der Straße: SOS-Kinderdorf fordert Lösungen für wohnungslose Jugendliche
München, 21. Dezember 2020 – Hunger, Kälte, kaum
Zuspruch: Die ohnehin prekäre Lebenslage von wohnungslosen Jugendlichen hat
sich diesen Winter in der Corona-Krise massiv verschlechtert. Vielerorts gibt
es kaum noch geöffnete Anlaufstellen und damit Möglichkeiten für warme
Mahlzeiten, Körperpflege und psychologische Unterstützung. Gerade vor
Weihnachten eine schmerzliche Situation, psychische Belastungen nehmen spürbar
zu. Die Freiburger StraßenSchule, ein Angebot von SOS-Kinderdorf, unterstützt
junge Menschen direkt auf der Straße in ihrer schier ausweglosen Situation. Der
Verein fordert die Politik deshalb auf, schnell greifende Lösungen für wohnungslose
und damit bedrohte junge Menschen zu schaffen.
Das Leben auf der Straße zeigte sich
für Jugendliche und junge Erwachsene ohne Wohnsitz schon entbehrungsreich genug – und dann kam die
Corona-Krise: Plötzlich haben sie keine Möglichkeiten mehr zum Aufwärmen und
verbringen schlimmstenfalls auch bei Minusgraden Tag
und Nacht unter freiem Himmel. Angebote
der Wohnungslosenhilfe müssen jetzt bedingt durch die notwendigen
Hygienemaßnahmen die Besucheranzahl begrenzen sowie die Verweildauer in ihren
Räumlichkeiten extrem verkürzen. Viele junge Menschen müssen deshalb auf die
Schnelle nacheinander versorgt werden mit dem Nötigsten: Mahlzeiten, Beratung
oder auch Möglichkeiten zur Körperpflege etc. Gerade für Personen auf der
Straße sind diese Orte jedoch als "Ersatzfamilien" überlebenswichtig:
„Die Anlaufstellen für junge Wohnungslose bieten viel mehr als nur
Aufenthaltsräume: Sie sind Orte der Gemeinschaft für junge Menschen, die kein
Zuhause haben und die auch ohne Corona bereits häufig in großer Isolation und
Einsamkeit leben. Sie bieten auch ‚seelisches Futter‘ und das ist nicht weniger
wichtig als Nahrung oder Körperpflege“, erklärt Christine Devic, zuständig für
die Öffentlichkeitsarbeit der Freiburger StraßenSchule. Dies gilt umso mehr,
wenn sonstige öffentliche Aufenthaltsorte, wie Lokale und Behördengebäude,
derzeit ganz geschlossen sind bzw. nur noch zu einem vereinbarten Termin
betreten werden dürfen — oder lediglich für den Durchgangsverkehr und nicht zum
Verweilen geöffnet sind. Die Freiburger StraßenSchule unterstützt die
Jugendlichen in dieser fast ausweglosen Situation bestmöglich auch direkt auf
der Straße: mit Schlafsäcken, heißem Tee, Wärmepacks, Gutscheinen für warme
Mahlzeiten, Thermosflaschen usw.
Für junge Menschen ohne Wohnung ist
die Corona-Pandemie eine weitere Krise in ihrem aktuellen Leben, die die
Gesamtsituation jedoch verschärft. Die Ansätze zur Problemlösung, an
denen schon vor der Pandemie
gearbeitet wurde, sind in weite Ferne gerückt. Viele der jungen Menschen sind
um Jahre zurück geworfen, sehen ihre mühsamen Entwicklungen unterbrochen.
Orientierungs- und Perspektivlosigkeit macht sich breit. „Es ist dringend
notwendig, dass diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen gerade jetzt ein Dach
über dem Kopf haben sowie fachlich gut begleitet und aufgefangen werden. Sie
sind mehr denn je auf Möglichkeiten zum Aufenthalten und Wohnen angewiesen, die
ihnen unkompliziert zur Verfügung gestellt werden müssen. Zusätzlich brauchen
sie psychologische Unterstützung, die finanziert werden muss. Die Kinder- und
Jugendhilfe hat dafür zu sorgen, ihre prekäre Lebenslage nachhaltig zu
verbessern!“, fordert Kristin
Teuber, Leiterin des Sozialpädagogischen Institutes.
Die Weihnachtszeit ist an sich schon
eine sehr belastende Zeit auf der Straße: Sie wühlt die jungen Menschen auf und
erinnert sie schmerzlich daran, was ihnen fehlt. Ihre psychischen Belastungen
nehmen erkennbar zu. Die Freiburger StraßenSchule feiert aus diesem Grund mit
Straßenjugendlichen in „normalen Jahren“ an Heilig Abend bis nachts Weihnachten
in ihrer Tagesanlaufstelle – was in diesem Jahr nicht geht. Finanziert über
Spenden erhalten die jungen Menschen deshalb heuer im Vorfeld neben den
obligatorischen Geschenken auch „Weihnachtsessen to go".
„Wer in der Wohnungslosigkeit
angekommen ist, hat keine große Lobby“, mahnt Luise Pfütze, Advocacy-Referentin
des SOS-Kinderdorf e.V. „Dass in Deutschland Minderjährige und junge
Volljährige auf der Straße leben, ist beschämend und ein unhaltbarer Zustand.
Denn für obdachlose Minderjährige und junge Volljährige ist die Jugendhilfe
primär zuständig und muss Verantwortung übernehmen. Es müssen Angebote
geschaffen und verlässlich finanziert werden, die sich an den konkreten
Bedürfnissen junger Obdachloser orientieren und tatsächlich für sie wahrnehmbar
sind. Die Vorweihnachtszeit öffnet an der einen oder anderen Stelle Ohren und
schafft Mitgefühl. Aber damit ist es nicht getan: Es geht um strukturelle
Verbesserungen, weshalb auch nach dem Jahreswechsel gerade in der Corona-Krise
langfristig an obdachlose, wohnungslose und davon bedrohte junge Menschen
gedacht werden muss – in der Politik und in der Gesellschaft“, so Luise Pfütze
weiter.
SOS-Kinderdorf ist für wohnungslose junge Menschen da!
In Freiburg kümmert sich der Verein zusammen mit dem Freiburger
StraßenSchule e.V. seit vielen Jahren mit niedrigschwelligen Angeboten um diese
vernachlässigte Gruppe Heranwachsender. Mit Streetwork und einer festen wie
einer mobilen Anlaufstelle für die Betroffenen sowie individuellen
Beratungshilfen begleitet die Freiburger StraßenSchule jährlich rund 500
Straßenjugendliche: https://www.sos-kinderdorf.de/freiburger-strassenschule.
Auch das SOS-Kinderdorf Saarbrücken unterstützt wohnungslose Jugendliche mit
Streetwork und bietet in einem offenen Jugendtreff Beratung und Orientierung.
Wenn die Jugendlichen wieder Vertrauen in sich selbst und das Umfeld gefasst haben,
können sie auch an speziell auf sie zugeschnittenen Angeboten der
Ausbildungsvorbereitung teilnehmen: https://www.sos-kinderdorf.de/kinderdorf-saarbruecken/angebote/ausbildung-und-qualifizierung/hilfe-fuer-wohnungslose-jugendliche
Der
SOS-Kinderdorf e.V.:
SOS-Kinderdorf
bietet Kindern in Not ein Zuhause und hilft dabei, die soziale Situation
benachteiligter junger Menschen und Familien zu verbessern. In
SOS-Kinderdörfern wachsen Kinder, deren leibliche Eltern sich aus verschiedenen
Gründen nicht um sie kümmern können, in einem familiären Umfeld auf. Sie
erhalten Schutz und Geborgenheit und damit das Rüstzeug für ein gelingendes
Leben. Der SOS-Kinderdorfverein begleitet Mütter, Väter oder Familien und ihre
Kinder von Anfang an in Mütter- und Familienzentren. Er bietet Frühförderung in
seinen Kinder- und Begegnungseinrichtungen. Jugendlichen steht er zur Seite mit
offenen Angeboten, bietet ihnen aber auch ein Zuhause in
Jugendwohngemeinschaften sowie Perspektiven in berufsbildenden Einrichtungen.
Ebenso gehören zum SOS-Kinderdorf e.V. die Dorfgemeinschaften für Menschen mit
geistigen und seelischen Beeinträchtigungen. In Deutschland helfen in 39 Einrichtungen
insgesamt rund 4.400 MitarbeiterInnen. Der Verein erreicht und unterstützt mit
seinen über 800 Angeboten rund 109.500 Menschen in erschwerten Lebenslagen in
Deutschland. Darüber hinaus finanziert
der deutsche SOS-Kinderdorfverein 173 SOS-Einrichtungen in 29 Ländern weltweit.
Mehr
Informationen unter www.sos-kinderdorf.de
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